Die Kabarettistin Claudia Pichler strahlt mit ihrem rot Kleid und einem Lächeln mit ausgebreiteten armen auf der Bühne.

Arbeitsbesuch: Claudia Pichler

Wenn ein Lächeln zurückschießt

In ihrem Bühnenprogramm sieht Claudia Pichler nach eigenem Bekunden „weiß-blau“. Oder vielleicht doch rot? Ein Abend mit der Kabarettistin und Bairischexpertin

Um Menschen auf ihre Seite zu ziehen, braucht Claudia Pichler exakt vier Worte. Durch eine Holztür betritt sie die Bühne, die aussieht wie eine alte Bauerernstube: Die Wand ist dunkel vertäfelt, ein Fenster bietet vermeintlichen Ausblick aufs Landleben.  Pichler trägt ein rotes Kleid und ein Lächeln.

Ein paar Schritte nach vorne, ein Blick ins Publikum, das hier in der Münchner Iberlbühne ganz nah dran an der Künstlerin sitzt. Pichlers Lächeln wird breiter und einnehmender, eigentlich käme man ihm und ihr schon jetzt kaum aus. „Ja servus, griaß eich!“

Claudia Pichler ist Kabarettistin und Moderatorin, Bairischexpertin und promovierte Germanistin, Münchnerin und Bayerin. Dazu passt auch ihr Programm: „Eine Frau sieht weiß-blau“ heißt die gut anderthalb Stunden dauernde One-Woman-Show, die sie an diesem Abend zum Besten gibt. Nebenbei schwingt im Titel etwas mit, das man Pichler womöglich auf den ersten Blick nicht gleich zutraut: Dass sie neben weiß-blau auch rot sehen kann – und verbal draufhauen, wenn sie das möchte. Aber halt mit einem Lächeln.

Tatsächlich sollte man Pichler, Jahrgang 1985, nicht unterschätzen. Sie selbst würde sich zwar nie als Rampensau bezeichnen; im persönlichen Gespräch ist sie ruhig, wägt ihre Worte. Doch wenn sie erst mal auf der Bühne steht, nimmt sie den Raum und die Menschen darin ganz natürlich in Beschlag.

Das lässt sich auch auf der Iberlbühne beobachten. Von Minute eins an hängt das Publikum an ihren Lippen, sie zieht die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Bann, als würde sie seit Jahrzehnten nichts anderes tun. Dabei ist sie erst seit ein paar Jahren als Kabarettistin unterwegs.

Vorher verfasste sie unter anderem eine Doktorarbeit über den Humor des großen bayerischen Kabarettisten Gerhard Polt. Die Arbeit habe sie übrigens selber geschrieben, versichert Pichler oben auf der Bühne – „was man ja nicht von allen sagen kann“. Ein schöner Gruß an all die Politiker, die in den vergangenen Jahren über unsauber erworbene Doktortitel gestolpert sind.

„Essigessenz, o Essigessenz, du scherst dich nicht um Modetrends!“
Claudia Pichler, Kabarettistin, Moderatorin und Bairischexpertin

Diese wie andere Spitzen garniert Pichler gerne mit einem entwaffnenden Lächeln. So treffen die Spitzen noch mehr. Außerdem kommen sie auf Bairisch. Das macht es schwer, ihren Witz ins Hochdeutsche zu übersetzen, zu viel droht dabei verloren zu gehen. Wer im Publikum über mindestens rudimentäre Bairischkenntnisse verfügt, hat deshalb viel zu lachen.

Alle anderen müssen sich ein bisschen einhören, um zu erfahren, was Pichler um- und antreibt – etwa der Traum von einem royalen Titel. Nur sind die Stellen der Bierkönigin und der Weißwurstprinzessin schon besetzt. „Aber ein Produkt ist noch frei“, sagt Pichler, greift zu einer Gitarre und beginnt eine Ode an die „Krönung im Wurstsalat“: „Essigessenz, o Essigessenz, du scherst dich nicht um Modetrends!“

Stark vereinfacht gehört Pichler damit zu einer von zwei Typen Kabarettistinnen und Kabarettisten. Die einen machen Politiksatire, die anderen stürzen sich auf die Absurdität des Alltags. Pichler schießt zwar mit ihren Worten auch ab und zu auf die Mächtigen, ist aber ansonsten vor allem Fraktion Absurdität. Von der gibt es in dem, was sie auf der Bühne als ihr Leben ausgibt, reichlich.

Ihre Pointen kommen gerne als Gegenteil des Erwarteten – zum Beispiel, wenn sie von den Freuden des Gartelns (Gärtnerns, Anm. d. Red.) erzählt. Doch manchmal mache ihr Rasenmähroboter so komische Geräusche, wenn er aus Versehen über eine Wühlmaus gerollt sei. Und als er gar ein Maulwurf erwischt habe, sei das „direkt traurig“ gewesen: „Da war gleich die ganze Elektronik hin.“

Ein Andermal dichtet Pichler, angeregt von einem Besuch im Supermarkt, über das Liebesleben der Fleischfliege Alois Brummer: „In der Obstabteilung hat er sein Herz verloren. Ihn quält der Liebeskummer.“ So sehr, dass er der Fruchtfliege Jessica zuliebe vegan wird.

Reifen wechseln, Spinnen einsaugen, Fass anzapfen, alles kein Problem. Aber allein am Sonntagabend vor dem Fernseher sitzen?

Zur Absurdität des Alltags passt auch, dass es die Liebe ist, die sich an diesem Abend als große Linie durchs Programm zieht – denn gegen die Liebe und ihre Folgen ist eben kein Ankommen.

Auf die Frage, was denn die Männerwelt mache, sagt Pichler: „Ich hab keine Ahnung! Woher soll ich das denn wissen?“ Mit einem Lied über die Liebe verabschiedet sie sich auch schließlich von der Bühne. Es folgt zunächst ein Hochgesang auf die Macht des Singledaseins: Reifen wechseln, Spinnen einsaugen, Fass anzapfen, alles kein Problem. Aber allein am Sonntagabend vor dem Fernseher sitzen? „Tatort, Tatort, du machst meine Welt zu einem einsameren Ort“, klagt Pichler. Und lächelt.

Man sollte sie also ernst nehmen; aber womöglich nicht immer zu sehr.

 

 

Text: Nansen & Piccard; Fotos: Frank Stolle
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